Überblick: Fahrplanentwurf 2024
Überblick: Fahrplanentwurf 2024
Als Jena Ende 2017 vom stündlichen ICE München – Berlin abgekoppelt wurde, versprachen die Deutsche Bahn und die Thüringer Landesregierung die Einführung einer zweistündlichen IC-Linie Leipzig – Jena – Nürnberg – Stuttgart – Karlsruhe im Jahr 2024 als Kompensation. Nachdem bereits seit Frühjahr 2022 bekannt ist, dass die Deutsche Bahn die Linie wegen Fahrzeugmangels nicht im geplanten Umfang (konkret: nur mit 5 statt 8 Zugpaaren) starten wird, hat nun das Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr (TLBV) die Entwürfe für den Fahrplan 2024 im Nahverkehr vorgestellt. Wir geben einen Überblick, was die Pläne für Jena und die Region bedeuten, und einen Ausblick, wie sie weiterentwickelt werden können.
Vorbemerkung
Den Fahrplan 2024 wird es nicht geben. Das Fahrplanjahr wird durch Baustellen bei Bad Kösen und zwischen Markranstädt und Leipzig-Leutzsch geprägt, die zusätzliche Veränderungen im Angebot erzwingen. Es unterteilt sich daher in einen „Normalfahrplan“, der vom 10. Dezember 2023 bis 7. April 2024 gelten wird, und mehrere Baufahrpläne, die ab 8. April 2024 bis zum nächsten Fahrplanwechsel im Dezember 2024 gelten werden. Im Folgenden wird zunächst jeweils auf das geplante Angebot im Normalfahrplan Bezug genommen; etwaige Änderungen während der Bauzeit werden anschliessend gesondert erwähnt. Die Baufahrpläne sind im Interesse der Übersichtlichkeit zusammengefasst.
Was ändert sich im Angebot?
- Die IC-Linie 61 Leipzig – Jena – Nürnberg – Stuttgart – Karlsruhe verkehrt fünfmal statt bisher einmal täglich (5 Zugpaare).
- Die zweistündliche RE-Linie 42 mit 8 Zugpaaren Leipzig – Jena – Saalfeld (- Nürnberg) entfällt
- Die zweistündliche RE-Linie 18 Jena – Halle mit 8 Zugpaaren entfällt
- Die zweistündliche RE-Linie 15 Saalfeld – Jena mit 8 Zugpaaren wird nach Leipzig verlängert. Die Verlängerung entfällt jedoch wieder während der Bauzeit.
Im Ergebnis werden zwischen Saalfeld, Jena und Halle/Leipzig im Normalfahrplan 3 Zugpaare und im Baufahrplan 12 Zugpaare weniger als bislang verkehren.
Mengenmässig unverändert bleiben:
- ICE Jena – Leipzig – Berlin – Hamburg/Binz (1 Zugpaar, neu von/bis Jena-Göschwitz)
- Nacht-Intercity Rostock – Berlin – Leipzig – Jena – Nürnberg – Wien (1 Zugpaar)
- RB 25 Saalfeld – Jena – Halle (16 Zugpaare)
- RB 28 Jena-Saalbahnhof – Pößneck (8 Zugpaare zzgl. HVZ-Verdichter)
Die sich aus dem IC-Minderangebot ergebenden Lücken schliesst der Freistaat Thüringen innerhalb Thüringens mit Einzelzügen:
- RE 14 Saalfeld – Jena – Camburg (1 Zugpaar)
- RB 28 Jena – Saalfeld (3 Zugpaare)
Alle Änderungen in der Übersicht (zur besseren Übersichtlichkeit ohne Nacht-IC, RE 14 und RB 28):
Was wird besser?
Stündlicher Express-Takt nach Leipzig
Das Angebot nach Leipzig wird dichter. Die jeweils zweistündlichen Linien IC 61 und RE 15 bilden zwischen Saalfeld, Jena und Leipzig einen sauberen Stundentakt. In Leipzig verbessern sich die Anschlüsse zum Fernverkehr. Jede Stunde kann dann zum ICE nach Berlin (in 10 statt bisher 20 Minuten) und zum Fernverkehr nach Dresden (in 25 statt bisher 40 Minuten) umgestiegen werden.
Schneller und komfortabler nach Nürnberg
Mit einer Fahrzeit von rund 2:30h von Jena bis Nürnberg sind die Züge der Intercity-Linie 61 fast so schnell wie der bis 2017 verkehrende ICE, 30 Minuten schneller als der heutige Franken-Thüringen-Express (FTX) und nur noch 10-15 Minuten langsamer, als die meisten der teuren Umsteigeverbindungen über Erfurt. In Nürnberg besteht Anschluss von und nach München mit 20 Minuten Übergang. Mit den Intercity-Doppelstockzügen wird im Vergleich zum FTX ein der Fahrtdauer angemessener Komfort geboten.
Während der Bauzeit wird der RE 15 nur zwischen Saalfeld und Jena verkehren, womit der Stundentakt zwischen Jena und Leipzig wieder entfällt.
Die Verbesserungen in der Übersicht (IC-Taktlücken nicht dargestellt):
Was wird schlechter?
Weniger und schlechter vertakteter Regionalverkehr auf der Saalbahn
Durch den Entfall der RE-Linien 18 und 42 (FTX) halbiert sich der bisherige RE-Stundentakt zwischen Saalfeld und Naumburg auf einen Zweistundentakt. Zwar bildet die neue IC-Linie zusammen mit dem verlängerten RE 15 einen neuen und nahezu minutengenauen Stundentakt; jedoch ist dieser für Nahverkehrsfahrgäste nicht nutzbar, da die IC-Züge – anders als auf der Mitte-Deutschland-Verbindung zwischen Erfurt, Jena und Gera – nach bisherigem Stand nicht mit Nahverkehrstickets genutzt werden können. Eine weitere Verschlechterung entsteht daraus, dass sich die Taktlagen der Linien 61 und 15 gegenüber der RB 25 so verschieben, dass aus dem bisherigen 30/30-Takt (alle halbe Stunde Abfahrt eines RE oder einer RB) ein holpriger 15/45-Takt wird. In der Gesamtwirkung entsteht im Nahverkehr ein unübersichtliches Angebot, bei dem Wartezeiten von bis zu einer Stunde zwischen zwei Zügen eingeplant werden müssen (15/45/60/15-Takt).
Während der Bauzeit entfällt die 10-minütige Wartezeit der RB 25 in Naumburg, wodurch sich die Fahrlage auf der Saalbahn verschiebt und aus dem 15/45-Takt übergangsweise wieder ein etwas „geglätteter“ 25/35-Takt wird.
Die Veränderungen im Nahverkehrstakt am Beispiel des Zeitfensters von etwa 12-14 Uhr (Verstärkerzüge Saalfeld – Jena nicht dargestellt):
Seltener und langsamer nach Halle
Durch den Wegfall der RE-Linie 18 Jena – Naumburg reduziert sich das umsteigefreie Angebot nach Halle um 8 Zugpaare. Zusammen mit dem gleichzeitigen Entfall der 8 Zugpaare der RE-Linie 42 und dem damit verbundenen Wegfall der Umsteigemöglichkeit zur Linie 16 in Naumburg halbiert sich das Angebot sogar und es gibt keine Möglichkeit mehr, Halle in einer angemessenen Fahrzeit von rund einer Stunde zu erreichen. Es verbleibt lediglich die stündliche RB 25 mit einer Fahrzeit von 1:25h und einer Standzeit von 10 Minuten in Naumburg. In Halle entfallen auch die Anschlüsse von und zu den ICE, die bisher mit den RE 18 erreicht wurden. Aktuell wird geprüft, ob zumindest der Anschluss von der RB 25 in/aus Richtung Berlin in jeder Stunde angeboten werden kann.
Während der Bauzeit entfällt die Standzeit in Naumburg, so dass sich die Fahrzeit nach Halle übergangsweise wieder geringfügig auf 1:15h verbessert.
Die Veränderung des Angebotes nach Halle in der Übersicht:
Im Nahverkehr langsamer und nicht mehr umsteigefrei nach Nürnberg
Mit dem Wegfall der RE-Linie 42 (FTX) im Abschnitt Saalfeld – Jena – Leipzig entfällt für Jena die Möglichkeit der umsteigefreien Fahrt im Nahverkehr nach Nürnberg. Zwar bieten die neuen Intercity-Züge der Linie 61 ein schnelleres und komfortableres Angebot, jedoch können diese aufgrund der noch bestehenden Taktlücken und der anderen Halte- und Tarifstruktur den RE nicht in jeder Hinsicht ersetzen. Wer künftig den FTX von Jena kommend ab Saalfeld nutzen will, hat dort eine Umsteigezeit von 20-30 Minuten, womit sich die Gesamtreisezeit auf 3:20h – 3:30h verlängert.
Wie bewerten wir den Fahrplan 2024?
Der Fahrplan 2024 ist missraten, keine Frage. Dafür gibt es sicherlich Gründe. Intercity-Züge, die die DB noch nicht hat, Baustellen, die wenig Rücksicht auf Fahrgäste nehmen, und ein Thüringer Verkehrsministerium, für das bei der Planung offenbar Sparen an oberster Stelle gestanden hat – das waren die Zutaten zum wenig begeisternden Ergebnis.
Aber auch das gehört zum Bild: Die grundsätzliche Richtung stimmt. Mit der neuen Intercity-Linie wird Jena wieder im Takt in das nationale Fernverkehrsnetz eingebunden. Das werden Fernreisende ab Dezember spüren – beim Tempo, beim Komfort und beim Umsteigen. Es ist auch sinnvoll, die neue verlängerte RE-Linie 15 am Intercity-Takt auszurichten. Sobald der Intercity mit 8 Zugpaaren fährt, entsteht damit über den gesamten Tag hinweg ein sauberer Stundentakt nach Leipzig, wo immer Anschluss Richtung Berlin und Dresden besteht.
Die gravierenden Verschlechterungen im Nahverkehr sind jedoch inakzeptabel und dürfen – bei allem Verständnis für Baustellen und Geldsorgen des Landes – kein Dauerzustand sein. Ein 30-Minuten-Regio-Takt ist auf einer Hauptlaststrecke wie der Saalbahn ein angemessenes Angebot. Dieses wegen der längst überfälligen Lückenschliessung im Fernverkehr – die überdies nicht vom Freistaat Thüringen finanziert werden muss – wieder abzubauen, ist in Zeiten des Klimawandels und im Hinblick auf das politische Leitziel der Verdoppelung der Fahrgastzahlen ein Anachronismus.
Das Land Thüringen hat nun in Aussicht gestellt, kurzfristig zusätzliche Verdichterzüge zwischen Jena und Saalfeld bestellen zu wollen, um wenigstens die schlimmsten Taktlücken schliessen. Ausserdem sollen Gespräche mit der Deutschen Bahn über die Freigabe der Intercity-Züge für Nahverkehrskunden geführt werden, damit diese während der Bauphase als Ersatz für den zwischen Jena und Leipzig entfallenden RE 15 genutzt werden können. Hoffentlich gelingt es, diese Vorhaben noch rechtzeitig zu realisieren. Beides kann jedoch nur noch Schadensbegrenzung sein. Einen guten Fahrplan wird es im Jahr 2024 nicht mehr geben können. Umso mehr muss der Fokus nun auf die Zeit nach dem Ende der Bauarbeiten gerichtet werden.
Was muss getan werden?
Im Prinzip braucht es nur drei Schritte, um auf der Saalbahn ein intelligentes integriertes Angebot aus Fern- und Nahverkehr im 30-Minuten-Takt aufzubauen – ohne dafür einen einzigen zusätzlichen Zugkilometer bestellen zu müssen.
Schritt 1: Intercity-Angebot auf 8 Zugpaare ausbauen
Die Grundlage aller Planungen der vergangenen Jahre war die Zusage der Deutschen Bahn, die Intercity-Linie 61 ab 2024 mit 8 täglichen Zugpaaren zu bedienen. Mit diesen 8 Zugpaaren sowie den 8 Zugpaaren der neuen, nach Leipzig verlängerten RE-Linie 15 entsteht wieder ein Gesamtangebot von 16 Zugpaaren des schnellen überregionalen (Fern-)Verkehrs – kapazitiv soviel wie im Fahrplan 2023, hinsichtlich Komfort und Einbindung ins deutsche Fernverkehrsnetz jedoch mit den lange erhofften Verbesserungen. Die erste Voraussetzung – Schritt 1 – ist daher der schnellstmögliche Ausbau des Angebots auf die zugesagten 8 Zugpaare.
Verantwortlich ist die Deutsche Bahn AG, nach deren Einschätzung mit den restlichen 3 Zugpaaren im Verlauf des Jahres 2025 zu rechnen ist.
Schritt 2: Intercity-Züge auf der Saalbahn für Fahrgäste des Nahverkehrs öffnen
Die Freigabe der Intercity-Züge für Reisende mit Nahverkehrstickets (Tarifintegration) ist zentral, weil diese Züge – anders als z.B. die ICE um Erfurt – auf der Saalbahn kein Zusatzangebot darstellen, sondern bisherige Regionalexpress-Züge ersetzen und mit den verbleibenden Regionalexpresszügen im Takt fahren. Mit der Tarifintegration werden die Taktlücken, die die IC-Züge ansonsten in tariflicher Hinsicht reissen, wieder geschlossen, und ein stündlicher, durchgehend auch im Nahverkehr nutzbarer Expresstakt, wie er seit 2017 besteht, wird wieder hergestellt. Die Tarifintegration ist für das Land nicht zum Nulltarif zu haben. Noch mehr Geld kosten aber Regionalexpresszüge, die Thüringen ohne die IC alleine bestellen und bezahlen müsste. Die Tarifintegration – Schritt 2 – ist der intelligente Mittelweg, der das Nahverkehrsangebot im Saaletal erhält und gleichzeitig die Fernverkehrsanbindung sichert.
Zuständig für die Herbeiführung der Freigabe ist der Freistaat Thüringen, der die Anerkennung von Nahverkehrstickets ausschreiben und „einkaufen“ muss.
Schritt 3: Fahrzeitverkürzung der RB 25
Die ungünstige zeitliche Verteilung des Angebots im Fahrplan 2024 ergibt sich daraus, dass die IC-Linie 61 und die mit ihr vertaktete neue RE-Linie 15 optimale Anschlüsse in Leipzig und Nürnberg bieten sollen, weshalb sie in einer anderen zeitlichen Lage verkehren werden, als die bisherigen RE-Linien. Die RB-Linie 25 hingegen bleibt in ihrer bisherigen Lage, weil sie Anschlüsse in Naumburg und Halle herstellt. Der Baufahrplan 2024 zeigt allerdings, dass eine bessere Verteilung des Angebots auf der Saalbahn bereits dann möglich ist, wenn die Anschlüsse der RB 25 in Naumburg so gestaltet werden, dass die dortige Wartezeit entfällt. Eine noch stärkere Verbesserung würde eintreten, wenn die RB-Linie 25 im Abschnitt Naumburg – Halle zum RE aufgewertet und somit schneller würde (die Bedienung der Zwischenhalte müsste in diesem Abschnitt dann der RE 16 übernehmen). Die hierdurch möglich werdende Lageverschiebung der RB 25 – Schritt 3 – würde auf der Saalbahn wieder einen sauberen 30-Minuten-Takt aus IC/RE und RB ermöglichen.
Zuständig ist der Freistaat Thüringen, der zusammen mit der Nahverkehrsservicegesellschaft Sachsen-Anhalt die Fahrpläne für den Nahverkehr auf dieser Strecke plant.