Analyse: Hohe Ausfallquoten und schlechte Anschlussqualität des Jenaer Fernverkehrs im Jahr 2024
Analyse: Hohe Ausfallquoten und schlechte Anschlussqualität des Jenaer Fernverkehrs im Jahr 2024
Die Jenaer Fernzüge waren im Jahr 2024 insgesamt pünktlicher als im Bundesdurchschnitt, fielen jedoch häufig aus und verpassten oft wichtige Anschlüsse. Das ist das Fazit einer Analyse, die wir auf Basis tausender Daten des Portals Zugfinder vorgenommen haben.
Die Auswertung, in der mit Ausnahme des nächtlichen IC-Zugpaares Rostock – Wien alle Jenaer Fernzüge berücksichtigt wurden, zeigt eine durchschnittliche Pünktlichkeit von 68%, während im bundesweiten Durchschnitt nur ein Wert von 62,5% erreicht wurde. Ein Grund zur Freude ist das aber nicht, denn bei genauerer Betrachtung zeigt sich ein differenziertes Bild.
So war zum Beispiel die Pünktlichkeit der langlaufenden Züge der IC-Linie 51 aus Köln und Düsseldorf weit unterdurchschnittlich. Die IC 2157 und 2155 erreichten nur 36% bzw. 39% und hatten am Bahnhof Jena West eine durchschnittliche Verspätung von 16 bzw. 14 Minuten. Dies ist nicht nur für die Fernreisenden ärgerlich, sondern betrifft auch die Nahpendler, die diese Züge zwischen Erfurt, Weimar, Jena und Gera nutzen dürfen – und müssen, da sie in diesen Taktlagen die Nahverkehrszüge ersetzen. Die völlig unbefriedigende Betriebsqualität des Fernverkehrs macht hier nicht nur regelmäßig den Nahverkehrstakt kaputt, sondern beschädigt damit auch massiv das Modell der tariflichen Öffnung von Fernzügen, das unter den aktuellen Rahmenbedingungen in vielen Regionen Deutschlands das einzige Mittel für den Erhalt eines Fernverkehrsangebotes ist.
Auch einige IC der Linie 61 sowie das einzige Jena verbliebene ICE-Zugpaar waren mit Pünktlichkeiten um 50% weit unterdurchschnittlich.
Noch schlechter wird das Bild im Hinblick auf die Ausfallhäufigkeit der Jenaer Fernzüge. Trauriger Spitzenreiter war hier die ICE-Tagesrandverbindung von und nach Berlin und Hamburg, die mit einer Quote von 21% (nordwärts) und 23% (südwärts) im statistischen Mittel jede Woche mindestens einmal, in der Praxis jedoch oft auch mehrere Tage hintereinander ausfiel und nur selten durch Ersatzzüge ersetzt wurde. Ebenfalls mit Ausfallhäufigkeiten von um die 10% stark betroffen waren die IC der Linie 51 sowie einzelne Züge der IC-Linie 61.
Da die DB keine Daten zur Ausfallhäufigkeit im Fernverkehr veröffentlicht, gibt es hierzu keinen Vergleichsmaßstab. Wir gehen jedoch davon aus, dass Ausfallhäufigkeiten von 10-20%, verbunden mit dem überwiegenden Fehlen von Ersatzzügen, weit überdurchschnittlich sind. Und eines trifft auf jeden Fall zu: der Fahrgast aus Jena, der sich in der Hoffnung auf Komfort, Tempo und Umsteigefreiheit ein Fernverkehrsticket gekauft hat, findet im Fall des ersatzlosen Ausfalls seines Zuges in akzeptabler zeitlicher Nähe kein anderes Fernzugangebot und sitzt am Ende doch wieder im vollen Nahverkehrszug.
Für die im Jahr 2024 zum 2-Stunden-Takt aufgewertete IC-Linie 61 haben wir zudem die Anschlusssicherheit in Richtung Berlin in Leipzig und nach München in Nürnberg bzw. Bamberg/Erlangen untersucht. Besonders der Anschluss in Leipzig spielt eine wichtige Rolle, da Berlin bekanntlich das mit weitem Abstand wichtigste Fernziel für Jena und die Verbindung über Leipzig mit dem Umstieg am selben Bahnsteig die komfortabelste Taktverbindung dorthin ist. Leider zeigt sich auch hier ein völlig unbefriedigendes Bild: lediglich in 64% der Fälle wurde von Jena aus der Anschluss zum ICE nach Berlin erreicht; in der Gegenrichtung waren es gar nur 61%. Trauriger Spitzenreiter war die Verbindung von ICE 1601 auf IC 2060 mit Ankunft um 17 Uhr in Jena; nicht einmal jedes zweite Mal hat dieser Anschluss funktioniert.
Besonders ärgerlich: sehr oft wurden Anschlüsse nur um wenige Minuten verpasst. Hier bedarf es dringender Maßnahmen zu einer schnellen Verbesserung, denn ohne Anschlusssicherheit in beide Richtungen kann die IC-Linie einen wichtigen Teil der ihr zugedachten Rolle nicht spielen. Die Bundestagsmitglieder Tim Wagner (FDP) und Ralph Lenkert (Linke), beide in unserem Bündnis aktiv, haben sich daher in dieser Sache an den Vorstand der DB gewandt.
Reflexion: Auch wir beschäftigen uns in der Freizeit lieber mit anderen Dingen als Pünktlichkeiten, Ausfallhäufigkeiten und Anschlusssicherheiten. Dass wir das dieses Mal so ausführlich und akribisch getan haben, ist den (zu vielen) Beschwerden von Fahrgästen zu verdanken, die sich an uns gewandt haben, weil sie entweder frustriert sind oder sogar gewollte Schlechtleistung als willkommenen Vorwand für künftige Angebotsreduzierungen vermuten. Mit den hier veröffentlichten Zahlen wollen wir die Beschwerden mit Fakten unterlegen. Dies tun wir aber nicht, um das Angebot in Verruf zu bringen und Fahrgäste vom Nutzen unserer Fernzüge abzuhalten, sondern um den Finger in die Wunde zu legen und über Maßnahmen zur Verbesserung reden zu können. Insofern gilt weiterhin unsere herzliche Bitte: Nutzen sie unsere Fernzüge, wenn es für Sie passt. Die obigen Zahlen geben Ihnen schließlich auch Hinweise, wo das Angebot gut funktioniert.