Überblick: Das bringt das neue Fernverkehrskonzept der Deutschen Bahn für Jena
Neue Ziele, schneller, mehr Komfort als im RE – ein akzeptabler Ersatz für den ICE
Das am 18.03.2015 vorgestellte neue Fernverkehrskonzept der Deutschen Bahn AG (DB) sieht zwei neue IC-Linien (bezeichnet als „IC neu“) vor, die Thüringen in Ost-West- und Nord-Süd-Richtung durchqueren sollen. In Jena treffen sich beide Linien. Sie bringen viele Vorteile für unsere Stadt und die Region: mehr schnelle und umsteigefreie Verbindungen, mehr Komfort als im Regionalverkehr, Fahrradmitnahme und ein für eine Universitätsstadt tariflich optimales Angebot. Auch der überregionale Nutzen ist beträchtlich. Mit dem IC-Kreuz entsteht ein Ostthüringer Fernverkehrsknoten, der zusammen mit dem dichten Haltekonzept der sich kreuzenden IC-Linien die im Schienenverkehr bisher stark vernachlässigte Ostthüringer Region gut erschließt, die negativen Auswirkungen des ICE-Wegfalls kompensiert und dem Status Jenas als zweitgrößter Ein- und Auspendlerstadt Thüringens Rechnung trägt.
Hauptkritik: 2024 ist viel zu spät!
Es bleibt jedoch ein Kritikpunkt, der alles überschattet: der zu späte Starttermin. Zwar wurde der ursprünglich für 2030 avisierte Starttermin nach Verhandlungen mit dem Freistaat Thüringen inzwischen offiziell auf den Fahrplanwechsel 2023/2024 vorgezogen. Der Bedarf entsteht aber mit dem Wegfall des ICE im Jahr 2018 und muss damit auch ab dann bedient werden. Dies zu erreichen, ist ab sofort die wichtigste Aufgabe unseres Bündnisses.
Die Neuerungen im Einzelnen:
1. IC-Linie 61 Karlsruhe – Leipzig
Die Linie verbindet Jena umsteigefrei und komfortabel im Zwei-Stunden-Takt mit den Großstädten und Fernverkehrsknoten Leipzig, Nürnberg, Stuttgart und Karlsruhe. In Leipzig und Nürnberg sind Übergänge in den ICE insbesondere nach Berlin und München möglich. Da die DB den Fernverkehr zukünftig in einem Integralen Taktfahrplan (ITF) verkehren lassen will, sind die Umsteigezeiten kurz und die Anschlussgewährung ist zuverlässiger, als bei niederrangigen Regionalverkehrszubringern. Die Verbindung soll mit fabrikneuen Doppelstock-IC-Zügen gefahren werden, die echten Fernverkehrskomfort, kostenlose Platzreservierungen und Mobilfunkverstärker für guten Internetzugang sowie (anders als heute im ICE) Fahrradmitnahme bieten. Zudem sollen sie mit den neuen Niedrigpreisangeboten, die ab 19 Euro verfügbar sein sollen, genutzt werden können.
Die IC-Linie 61 löst das Problem der häufigen Zwischenhalte und der resultierenden Bummelfahrzeiten, die die bisher geplanten bzw. bereits verkehrenden Regionalexpress (RE)-Züge mit sich brachten. So benötigt der Franken-Thüringen-Express (FTX) nach Nürnberg wegen der 18 Zwischenhalte eine runde Dreiviertelstunde länger als der IC (+30% Fahrzeit), bei dem nach Leipzig geplanten RE sollten es dem Fahrplanentwurf 2016 zufolge 17 Zwischenhalte und runde 20 Minuten (+45% Fahrzeit) mehr sein. Außerdem löst die IC-Linie das bestehende bzw. sich abzeichnende Komfortproblem. Zwar war von den Thüringer Politikern immer wieder „fernverkehrsähnlicher“ Komfort für die als ICE-Ersatz geplanten neuen RE-Linien versprochen worden; im Fall der Talent 2- Züge, die Jena bereits mit Nürnberg verbinden und die zukünftig auch nach Halle zum Einsatz kommen sollten (womit dieser Zug der Hauptersatz für den ICE geworden wäre), ist dies in der Realität jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil entspricht der Zug in seiner Ausstattung wie z.B. den engen, unbequemen Sitzen und den nicht abgetrennten Großraumabteilen nicht einmal gehobenem Nahverkehrskomfort und ist deswegen deutschlandweit unter Fahrgästen in höchstem Maße unbeliebt.
2. IC-Linie 51 Chemnitz – Düsseldorf
Die Linie war bereits geplant, jedoch nur in Einzellagen und nur bis Gera. Sie wird nun erheblich aufgewertet und verbindet Jena ebenfalls im Zwei-Stunden-Takt umsteigefrei mit den Großstädten Chemnitz, Kassel, Dortmund und Düsseldorf. In Chemnitz, wohin im Regionalverkehr mittlerweile mehrfach umgestiegen werden muss, hat die Linie direkten Anschluss an den IC nach Dresden, womit erstmals wieder eine Verbindung ohne den Umweg über Leipzig entsteht. In Kassel besteht Anschluss an die wichtige, dann im Halbstundentakt verkehrende ICE-Nord-Süd-Achse von Hamburg nach Frankfurt. Auch diese Linie soll mit fabrikneuen Doppelstock-IC gefahren werden.
Neben der Fernverkehrsfunktion haben beide Linien eine wichtige innerthüringische Funktion. Anders als der ICE, der Thüringen bis auf Erfurt haltlos durchfährt und deswegen nur wenigen Thüringern nutzt, verbindet sie die Thüringer Städte schnell und komfortabel untereinander und bedeutet so einen erheblichen Mehrwert für ungleich mehr Bürger im Land und die Thüringer Binnenintegration. So wird zum Beispiel die Linie 51 auf der wichtigsten innerthüringischen Strecke entlang der Thüringer Städtekette erstmals eine schnelle vertaktete und umsteigefreie Verbindung von Eisenach über Gotha, Erfurt, Weimar und Jena bis Gera herstellen. Auf der Saalbahn verbindet die Linie 61 den Wirtschaftsraum Saalfeld/Rudolstadt mit Jena und Mitteldeutschland. Dies ist eine erhebliche Aufwertung für tausende Thüringer Pendler, die auf den stark nachgefragten Strecken mit mehr Sitzplätzen und höherem Komfort rechnen können, als in den heutigen Regionalexpress-Zügen.
3. „Jena-Südkreuz“
Mit dem Angebotskonzept entsteht in Jena ein IC-Kreuz, in dem die beiden IC-Linien verknüpft werden. Das hat nicht nur Vorteile für Durchreisende, die von einer IC-Linie auf die andere umsteigen, sondern auch für die Jenaer selbst. So kann der Bahnhof Jena-Göschwitz zukünftig auch im Fernverkehr als Zustiegsbahnhof genutzt werden, womit Jena über drei Fernverkehrsbahnhöfe verfügt. So hat jeder Jenaer die Möglichkeit, den für ihn nächstliegenden bzw. am besten erreichbaren Bahnhof zu nutzen. Nicht zuletzt aber muss und wird die Entwicklung des Bahnhofs Jena-Göschwitz und des Umfeldes beschleunigt werden. Der heutige Zustand ist spätestens mit dieser Entwicklungsperspektive nicht mehr tragbar. Das wird auch den Lokalpolitikern klar werden müssen, die sich bisher wenig für die Jenaer Bahnhöfe interessiert und jedes städtische Entwicklungs-Engagement abgelehnt haben. Jena bekommt eine historische Chance, einen Hauptbahnhof zu entwickeln und im Umfeld des Bahnhofs neue Gewerbeflächen hochwertig zu erschließen. Unsere Stadt sollte diese Chance rechtzeitig erkennen und alles dafür tun, dass sie eintritt.