Sachsen gibt Geld für Bahnstrecke nach Chemnitz

Veröffentlicht von nwt-devjun am

Quelle: Freie Presse | 28.01.2012

Land will Bund für Trasse von Leipzig nach Chemnitz gewinnen.

Chemnitz. Das sächsische Wirtschaftsministerium stellt für die Verbesserung des Eisenbahnverkehrs zwischen Chemnitz und Leipzig die Weichen. Weil die Strecke über Geithain/Borna in den Investitionsplanungen des Bundes bisher keine Rolle spielt, will der Freistaat als Investor mit einsteigen. Dies kündigte Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) am Freitag im Interview mit der „Freien Presse“ an: „Unser Ziel ist eine schnellstmögliche Elektrifizierung.“

Die Ausstattung der Strecke mit Fahrdrähten ist nötig, damit schnelle Fernzüge nach Chemnitz fahren und die südwestsächsische Großstadt zudem in das neue, mitteldeutsche S-Bahn-Netz eingebunden werden kann. Zur Anbindung der 240.000-Einwohner-Stadt Chemnitz an den Schienenknoten Leipzig gibt es laut Morlok keine alternative Schienentrasse.

Kern des Projektes ist das 36 Kilometer lange Teilstück zwischen Geithain und Chemnitz. Dort fehlt die Elektrifizierung komplett. Der Freistaat wird laut Morlok nun mit den Vorplanungen beginnen. 2013 sollen die Papiere vorliegen. Baubeginn ist für 2015/2016 geplant. Drei Jahre dürften die Arbeiten dauern.

Morlok hofft, mit der Landesinitiative den Bund von der Bedeutung der Trasse überzeugen und als Mitfinanzierer gewinnen zu können. Aktuell hält sich Berlin zurück. Erst kürzlich ließ der Bundesverkehrsminister über seinen Parlamentarischen Staatssekretär Jan Mücke (FDP) der Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) in einem Brief ausrichten, dass sich der Bund nicht in der Pflicht sieht. Grund: Es handele sich bei der Trassenelektrifizierung um ein Projekt des Schienen-Personennahverkehrs und dafür sei der Bund nicht zuständig. Ändert sich diese Position nicht, kann das Land auch kaum auf den nächsten Bundesverkehrswegeplan hoffen. In ihm wird festgeschrieben, welche Vorhaben ab 2015 Priorität haben und Bundesgeld erhalten. Morlok: „So lange können wir nicht warten.“ Ohnehin will er neben dem Bund auch die von der Strecke profitierenden Nahverkehrszweckverbände und die umliegenden Kommunen als Geldgeber mit ins Boot holen.

Als Finanzierungsanteil des Landes – für Planungs- als auch Bauleistungen – sei ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag geplant. Die Gesamtkosten dürften mehr als 100 Millionen Euro betragen. In einem weiteren Schritt soll die gesamte Trasse zweigleisig werden. Derzeit gibt es etliche Abschnitte mit nur einem Gleis, was immer wieder zu massiven Verspätungen der dieselgetriebenen Züge führt.

Schon zweimal hat der Freistaat Verkehrsprojekte, die aus seiner Sicht Bundessache sind, mit Landesgeld vorangebracht. Dabei handelt es sich um die Elektrifizierung der Sachsen-Franken-Magistrale zwischen Reichenbach und Hof sowie den Bau der A 72 Chemnitz-Leipzig, an der Sachsen mit 50 Millionen Euro beteiligt ist.

Verspätete Einsicht

Chemnitz ist seit Jahren vom schnellen Schienenfernverkehr abgehängt. Auch das moderne mitteldeutsche S-Bahn-Netz, das ab Ende 2013 sogar das entlegene Hoyerswerda integrieren soll, reicht nicht bis nach Chemnitz. Ein Skandal, denn nirgendwo in Deutschland ist eine vergleichbar große und wichtige Stadt so konsequent auf dem Abstellgleis geparkt und von Bahnkonzern und Politik ignoriert worden. Das soll sich nun ändern. Erstmals liegt ein ernst zu nehmender Vorschlag aus Dresden auf dem Tisch. Die Initiative des sächsischen Wirtschaftsministeriums, das mit einem zweistelligen Millionenbetrag die Elektrifizierung der Strecke nach Leipzig beschleunigen will, ist deshalb zuallererst lobenswert. Sie wäre ein echter Meilenstein.

Dennoch darf dabei nicht vergessen werden: Die Einsicht, dass Chemnitz dringend eine bessere Schienenanbindung an den Bahnknoten im Norden braucht, kommt reichlich spät. Mehr als 20 Jahre lang wurde die größte Stadt der südwestsächsischen Region systematisch abgekoppelt. Der Chemnitzer Hauptbahnhof hat heute nur noch eine provinzielle Bedeutung, was zu Recht von der Kommunalpolitik, von Unternehmen und Kulturschaffenden, von der Tourismusbranche und vom Wissenschaftssektor beklagt wird. Schuldzuweisungen für die Misere gibt es mehr als genug. Wobei sich die meisten Kritiker auch selbst an die Nase fassen müssen. Gemeinsame Initiativen gab es jahrelang kaum, und wenn es einmal gelang, viele Akteure an einen Tisch zu bekommen, dann waren ihre gemeinsamen Forderungen an Berlin und Dresden zu zaghaft. Richtig Druck gemacht hat die Region nur höchst selten.

Am Donnerstagabend war so ein Tag, an dem Chemnitz mit vielen Verbündeten ein Achtungssignal an den Bahnkonzern und die Verantwortlichen in Dresden und Berlin gesandt hat. Rathauschefin Barbara Ludwig (SPD) hatte zu einem kleinen Bahngipfel eingeladen und kein Platz im großen Beratungssaal blieb leer. Landräte, Museumschefin, Uni-Spitze, Industrieverein: alle waren da. Ihre gemeinsame Botschaft: Chemnitz lässt nicht locker. Es geht nicht darum, ob die Stadt an das moderne Schienennetz angebunden wird, sondern wie und wann. Minister Morlok war zu dem Treffen zwar nicht eingeladen. Die Signale aus Chemnitz scheinen dennoch in Dresden angekommen zu sein.

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