Neuvergabe des Franken-Thüringen-Express (FTX)

Veröffentlicht von nwt-devjun am

Ein Kommentar zum absehbaren Ende des FTX in Jena

Nun steht es fest: Am Abend des 9.12.2023 wird der Franken-Thüringen-Express, kurz FTX, zum letzten Mal durch Jena fahren. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), der Besteller des Nahverkehrs in Bayern, hat am 28. April 2020 gemeinsam mit dem Freistaat Thüringen die Leistungen des Nachfolgenetzes Franken-Südthüringen vergeben. Damit wird der Zug, der Jena seit 2011 mit Nürnberg und seit 2018 mit Leipzig verbindet, ab 2023 Geschichte sein. Zwar wird es im neuen Netz weiterhin Expresszüge von Bayern nach Thüringen geben; doch diese werden Jena nicht mehr erreichen. An seinem nördlichen Ende wird der FTX künftig nur noch bis Saalfeld verkehren und damit wenige Kilometer vor dem geplanten IC-Knoten Ostthüringen enden. Neu werden dafür FTX-Züge über die ICE-Neubaustrecke von Coburg bis Erfurt fahren.

Um es vorwegzunehmen: Unser Bündnis bedauert die Abkopplung vom FTX, hat aber nicht dagegen gekämpft. Der Grund ist recht simpel: In dem seit der Bahnreform ordnungspolitisch missratenen System aus föderal bestelltem gemeinwirtschaftlichen Nahverkehr und „eigenwirtschaftlichem“ Fernverkehr war der FTX eine Gefahr für den zum Fahrplanwechsel 2023/2024 geplanten InterCity (Karlsruhe -) Nürnberg – Jena – Leipzig. Diesen InterCity jedoch brauchen wir dringender; als „echtes“ Fernverkehrsprodukt wird er die Erreichbarkeitsprobleme der seit 2018 vom ICE-Verkehr abgekoppelten Region Ostthüringen besser lösen können, als ein als Fernverkehrsersatz fungierendes Produkt des Nahverkehrs mit all den ihm innenwohnenden Zielkonflikten. In einer idealen Welt hätte der FTX freilich den InterCity zu einem Stundentakt ergänzt, was im Hinblick auf den bisherigen ICE-Stundentakt nicht unangemessen viel gewesen wäre und so auch im ersten Gutachterentwurf des Zielfahrplans Deutschlandtakt vorgesehen war. Aber wir leben in keiner idealen Welt und unsere Verkehrspolitik setzt leider mal wieder andere Prioritäten.

Diese Prioritäten sind allerdings überrraschend, denn es ist äußerst fraglich, warum Thüringen die Verlängerung des neuen FTX nach Erfurt über die Neubaustrecke mitfinanziert. Sie ist aufgrund der besonderen Anforderungen an die Züge (hohe Geschwindigkeit, Druckertüchtigung, ETCS) relativ teuer, während gleichzeitig keine verkehrliche Relevanz für Thüringen erkennbar ist: die Strecke Coburg – Erfurt hat keine Zwischenhalte und zwischen Erfurt und Nürnberg herrscht bereits ein dichter ICE-Takt. Im Klartext: Es wird kein einziger Nahverkehrsbahnhof in Thüringen zusätzlich bedient und für alle Verbindungen nach Nürnberg ist immer der ICE das bessere Angebot. Erklärbar ist der Zug nur mit dem Interesse Bayerns, der zwar nur 40.000 Einwohner großen, aber wirtschaftlich starken und mit einer effektiven politischen Lobby arbeitenden Vestestadt Coburg einen Lückenfüller für die Taktlücken des ICE nach Berlin zu verschaffen. Und so war hinter den Kulissen auch zu hören, dass der Druck aus Bayern auf Thüringen, den Zug trotzdem zu bestellen, sehr groß war. Wir können nur spekulieren, ob das Thüringer Verkehrsministerium zu verhandlungsschwach war oder ob es ein anderes Interesse gab.

Unterdessen drohen weitere Kosten, denn die Region um Ilmenau wird nun mit allen Mitteln versuchen, das Land, die DB und den Bund dazu zu bewegen, den Personenbahnhof Ilmenau-Wolfsberg an der Neubaustrecke, der im Zuge das Baus wegen fehlender Nahverkehrszüge nicht errichtet wurde, doch noch zu bauen. So verständlich die Forderung aus der Sicht der Anlieger ist – für 5 tägliche Zugpaare und mit einer Lage mitten im Niemandsland wäre er eine schlechte Investition. Dennoch ist sie nun  wahrscheinlicher geworden.

Die Ostthüringer aber müssen durch all das neue Nachteile befürchten. Die Finanzierung des Coburg – Erfurt – Express kann nicht nur den Ostthüringer Nord-Süd-Strecken durch die weitere Verlagerung von Verkehrsströmen schaden, sondern sie erfolgt auch aus jenen Finanzmitteln, die eigentlich dem Thüringer Nahverkehr zugute kommen sollen. Diese Mittel sind seit Jahren chronisch knapp, immer wieder wurden Strecken abbestellt oder der Verkehr ausgedünnt. An Zusatzangebote ist kaum zu denken. Jena und Saalfeld mussten 2017 heftig kämpfen, um nach der Abkopplung vom stündlichen ICE wenigstens den FTX als zweistündlichen Minimalersatz nach Leipzig verlängert zu bekommen. Das Verkehrsministerium in Erfurt war nicht bereit, die Verlängerung zu finanzieren, sondern wollte die Städte mit einer Regionalbahn abspeisen. Erst, als die Landesregierung eingriff und zusätzliche Mittel aus dem allgemeinen Haushalt zur Verfügung stellte, war man ein Jahr nach dem Ende des ICE bereit, den FTX bis 2023 nach Leipzig zu verlängern. Da wirkt es wie aus einer anderen Welt, wenn dasselbe Ministerium jetzt bis 2035 insgesamt 6 Millionen Euro ausgibt, um eine bayerische Stadt an den Fernverkehr anzubinden, und Gespräche über einen Bahnhofsneubau für 5 tägliche Züge führen will. So sehr den Nutznießern die Verbesserungen zu gönnen sind – potentiell fehlt dieses Geld, wenn es um Projekte wie den IC-Knoten Ostthüringen, die voraussichtlich notwendige Tarifintegration der geplanten neuen InterCity-Linien oder die Reaktivierung der Pfefferminzbahn geht. Es scheint, dass die Thüringer Verkehrspolitik nicht begriffen hat, welche Prioritäten sie setzen muss, um die eigene Wirtschaft zu unterstützen.

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