Das Bündnis „Fernverkehr für Jena“ bittet die Ministerpräsidentin um Unterstützung
Freistaat Thüringen
Thüringer Staatskanzlei
Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht
Regierungsstraße 73
99084 Erfurt
Jena, den 12.12.2011
Künftige Fernverkehrsanbindung der Stadt Jena
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
wie Ihnen bekannt ist, droht dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort nach den gegenwärtigen Planungen ab 2017 die faktisch vollständige Abkopplung vom Fernverkehr der Deutschen Bahn. Damit einher geht eine negative Entwicklung der Erreichbarkeit, die für die Institutionen und Unternehmen einen spürbaren Wettbewerbs- und Standortnachteil mit sich bringt, der ihre Entwicklungsperspektiven verschlechtert und damit die Wirksamkeit der bisherigen Investitionen in den Standort Jena und auch für Thüringen insgesamt deutlich verringert.
Die ausgeprägte und unverzichtbare internationale Ausrichtung der Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen und vieler Unternehmen in Jena erfordert eine regelmäßige, umsteigefreie und komfortable Verbindung zu internationalen Flughäfen und in große Verkehrsknotenpunkte wie Frankfurt, Leipzig und Berlin. Die Strategie der DB und des Thüringer Verkehrsministeriums, nur noch ein partiell aufgewertetes Regionalexpress-Angebot zu den Knoten Leipzig, Halle und Erfurt anzubieten, greift dafür viel zu kurz. Für Reisende besteht damit immer das Anschlussverlustrisiko und der schlechtere Komfort des Regionalzuges, verbunden mit längeren Reisezeiten. Für Geschäftsleute und internationale Wissenschaftler sind gerade diese Kriterien jedoch ein herausragender und in diesem Fall abschreckender Faktor. Standortentscheidungen und persönliche Entscheidungen von Führungspersonal in Wissenschaft und Wirtschaft für oder gegen einen Wechsel nach Jena hängen davon ab.
Das Institut für Wirtschaft und Verkehr der TU Dresden hat sich in einer soeben veröffentlichten Untersuchung mit der Erreichbarkeit deutscher Großstädte durch den Schienenpersonenverkehr beschäftigt. Im Ergebnis weist die Stadt Jena schon jetzt einen sehr schlechten Erreichbarkeitswert auf und landet im Ranking der untersuchten Großstädte auf Platz 74 von 80. Sollte tatsächlich die Abkopplung der Stadt Jena vom Fernverkehr erfolgen, wäre ein weiteres Zurückfallen, obwohl ohnehin kaum noch möglich, die Folge.
Mit Sorge verfolgen wir daher das offensichtliche Bemühen von Herrn Verkehrsminister Carius, die geplanten Regionalexpresszüge als „fernverkehrsähnlich“ darzustellen, auch wenn dies aus vielen Gründen, die im Einzelnen bereits dargelegt wurden, nicht der Realität entspricht. Gleichzeitig sind, zumindest öffentlich, keinerlei Aktivitäten festzustellen, Jena einen vollwertigen Fernverkehrshalt zu sichern. Der bereits heute qualitativ unterdurchschnittlichen Schieneninfrastruktur in Jena wird damit auch noch das schnelle und direkte Fernverkehrsangebot genommen.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
in ihrem Koalitionsvertrag haben die Thüringer Regierungsparteien das Ziel festgehalten, dass „neben den auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke verkehrenden neuen ICE-Angeboten […] auf der Saalebahn auch zukünftig adäquate Fernverkehrsanbindungen erhalten bleiben“ sollen. Auch der aktuelle Bundesverkehrswegeplan in der überprüften Fassung vom November 2010 sieht auf der Saalbahn eine Fernverkehrslinie mit 8 Zugpaaren je Tag (entsprechend einem 2h-Takt) vor.
Wir bitten Sie, sich dieses für Jena und Thüringen so wichtigen Themas persönlich anzunehmen. Setzen Sie Ihr Gewicht im Land, beim Bund und bei der DB dafür ein, dass eine befriedigende Lösung für Jena gefunden wird. Sofern ein eigenwirtschaftliches Angebot auf der Saalbahn durch die DB nicht erreichbar ist, muss es möglich sein, auch mit alternativen Anbietern von Fernverkehrsleistungen über deren Angebote und Kosten zu sprechen. Sollte ein mischfinanziertes Fernverkehrsmodell die Lösung sein, darf die Prämisse nicht von vornherein, wie zuletzt aus dem Thüringer Verkehrsministerium zu vernehmen war, die Vermeidung jeglicher zusätzlicher Kosten im Vergleich zu einem reinen Nahverkehrsangebot sein. Wenn Thüringen die Wettbewerbsfähigkeit seines wichtigsten Hochschul- und Wirtschaftsstandortes erhalten will, muss es den direkten Anschluss an das Fernverkehrsnetz als existenziellen Standortfaktor begreifen und diesem die gleiche, auch finanzielle Aufmerksamkeit zubilligen, wie sie seit Jahren beispielsweise der ICE-Neubaustrecke und dem Flughafen Erfurt zukommt. Eine leistungsfähige Fernverkehrsanbindung der Stadt Jena ist keine Frage kurzfristiger Rentabilitäten öffentlicher oder halböffentlicher Mittel, sondern eine Frage mittel- und langfristiger Daseinsvorsorge zugunsten des gesamten Freistaats.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
wir würden uns sehr freuen, wenn Sie das Thema bei einem Treffen in kleiner Runde mit uns besprechen könnten und bitten Sie hierzu herzlich um einen Terminvorschlag.
Mit freundlichen Grüßen
Das Bündnis „Fernverkehr für Jena“ ist ein Zusammenschluss von über 50 Unternehmen, Wissenschaftseinrichtungen, Interessenverbänden und Vertretern der Verwaltung, darunter unter anderem die Friedrich-Schiller-Universität Jena, die Fachhochschule Jena, die Max-Planck-Institute für Ökonomik, Biogeochemie und chemische Ökologie, die Leibniz-Institute für Altersforschung und für Naturstoffforschung, das Fraunhofer-Institut für angewandte Optik und Feinmechanik, das Helmholtz-Institut Jena, das Institut für Photonische Technologien, die Carl Zeiss Jena GmbH, die Schott Jenaer Glas GmbH, die Jenoptik GmbH, die Analytik AG, die Intershop Communications AG, die Wirtschaftsförderung Jena, die IGJS Jena, die IHK Ostthüringen und der Bundesverband mittelständische Wirtschaft, Unternehmerverband Deutschlands
Kontakt
Bündnis „Fernverkehr für Jena“
Sprecher: Wolfgang Meyer, 0175 5757070
Stellvertretende Sprecher: Dr. Klaus Bartholmé, Mihajlo Kolakovic, Wilfried Röpke,
kontakt@fernverkehr-jena.de
http://www.facebook.com/fernverkehr.jena