Bahn schmiedet mit Land am Schienenverkehrskonzept
Quelle: | 12.12.2011 | Tino Zippel
Die Deutsche Bahn diskutiert mit dem Land Thüringen über Lösungen, wie Jena und Weimar auch nach Eröffnung der neuen ICE-Strecke am Fernverkehrsnetz der Bahn bleiben – und Gera sogar wieder hinzukommt.
Erfurt. Die Deutsche Bahn AG will bis 2015 1,6 Milliarden Euro in Thüringen investieren. Der größte Teil der gewaltigen Summe fließt in die Vollendung der Neubaustrecke zwischen Halle, Erfurt und Berlin. Für die 50 Millionen Euro für den zweigleisigen Ausbau der Mitte-Deutschland-Schiene zwischen Weimar und Stadtroda liegt indes noch immer keine feste Finanzierungszusage des Bundes vor, sagt der Konzernbevollmächtigte für Thüringen, Volker Hädrich. Zumindest bestehe für den ersten Abschnitt zwischen Mellingen und Großschwabhausen seit vergangener Woche Baurecht. Das zweite Gleis ist zwingend notwendig, um die Kapazität der Strecke von 37 auf 43 Züge pro Tag und Richtung zu erhöhen. Die Verbindung wird ein wichtiger Zubringer an den neuen ICE-Knoten in Erfurt, der Ende 2017 in Betrieb gehen soll und von Hädrich als „Geschenk des Himmels für Thüringen“ bezeichnet wird. Der Freistaat profitiere „in unerhörtem Maße“ von der Neubaustrecke. Das Land müsse nun ein gutes Zubringernetz etablieren und Erfurt die Chance als Knoten nutzen. Die Landeshauptstadt könne von der Neubaustrecke profitieren wie einst Kassel oder Fulda, wo sich viele Logistiker ansiedelten. Er wisse aber, dass es „Frust im Land“ gebe. Jena und Weimar protestieren gegen die bevorstehende Abkopplung vom ICE-Netz. „Wir müssen alle mitnehmen in der Diskussion“, betont der Bahnmanager, der wie Verkehrsminister Christian Carius (CDU) und den betroffenen Städten einem Steuerungskreis angehört. Die Forderungen der Bündnisse nach einem zweistündlichen Anschluss ans ICE-Netz liegen auf dem Tisch. Die Jenaer Initiative, die Politik, Wirtschaft und Hochschulen bündelt, will eine regelmäßige Direktverbindung nach Berlin. Auch der Wunsch, wieder Fernverkehr auf der Mitte-Deutschland-Schiene von Gera über Jena und Weimar ins Ruhrgebiet einzuführen, wird im Steuerungskreis diskutiert – wie realistisch das angesichts des fehlenden Fahrdrahtes zwischen Gera und Weimar ist, wird sich zeigen. Formal sind dem Land beim Fernverkehr die Hände gebunden. Während die Bundesländer den Nah- und Regionalverkehr ausschreiben, bestellen und aus Regionalisierungsmitteln des Bundes zahlen, muss sich Fernverkehr selbst tragen. Und die Bahn wird auf die Saalebahn kaum einen Konkurrenzzug für die ICE auf der Neubaustrecke zwischen Nürnberg und Halle setzen. Weniger das Aufkommen an den Bahnhalten wie Jena oder Saalfeld sind wohl das Problem als die durch den Zug ausgelösten Überkapazitäten ab Halle oder Leipzig in Richtung Berlin.
Wenn die Bahnanbieter keinen eigenwirtschaftlichen Zug auf die Strecke schicken, bliebe aber ein Modell wie es Niedersachsen praktiziert. Das Land schießt Geld zu einem Fernzug zu, damit auch Kunden zum Nahverkehrstarif einsteigen dürfen. Entsprechende Lösungen sollen beim nächsten Treff des Steuerungskreises im Januar besprochen werden. Falls die Bemühungen scheitern, sind die Jenaer – wie die Geraer schon seit Jahren – ab 2017 auf Regionalexpress-Züge angewiesen. Der seit Sonntag fahrende Jena-Nürnberg-Express gibt einen Vorgeschmack. Aktuell erlebt der Zug einen Fehlstart. Noch rollen alte Dieseltriebzüge bis Lichtenfels, dort muss umgestiegen werden. Grund ist die verspätete Zulassung der Elektrozüge Talent 2 durch das Eisenbahnbundesamt. Noch häufen sich bei Testfahrten die Fehler. Begegnen sich zwei Züge, signalisiert der Talent hin und wieder dem Fahrer, dass Türen offen sind, nennt Hädrich ein Beispiel. Das Jenaer Bündnis will einen Regionalexpress sowieso nicht als Fernverkehr-Ersatz akzeptieren. 18 Halte auf dem Weg nach Nürnberg seien zu viel, sagt Sprecher Wolfgang Meyer. Im Steuerungskreis genießen sowieso zunächst die Gespräche mit Weimar Priorität. Schon 2015, wenn der erste Ast der Neubaustrecke in Betrieb geht, droht dort der völlige Verlust des Fernverkehrs.
Bahn in Thüringen
Die Deutsche Bahn hat in Thüringen 4100 Mitarbeiter und 200 Auszubildende. Sie zählt jährlich 1,7 Millionen Reisende im Fernverkehr im Freistaat sowie 15 Millionen im Nahverkehr.