Ab Dezember täglich neuer Früh-ICE von Jena nach Berlin

Veröffentlicht von nwt-devjun am

Ein Kommentar mit Presseschau

Jahrelang haben die Politiker in Erfurt gebetsmühlenartig wiederholt, wie segensreich der ICE-Knoten Erfurt für ganz Thüringen sei. Auch Jena sollte davon profitieren. Die Wirklichkeit aber sieht anders aus. Auf der Hauptversammlung der Intershop AG am 2.6. beschwerten sich die Aktionäre über die neuerdings umständliche und langsame Anreise per Bahn nach Jena und verlangten die Verlegung der Versammlung und dazu gleich des ganzen Unternehmens. Übrigens nicht etwa zum ICE-Knoten nach Erfurt, sondern gleich in eine richtige Großstadt, z.B. nach Leipzig, womit nicht nur Jena, sondern auch Thüringen sowohl die regelmäßige Großveranstaltung mit ihren lokalen Einnahmen als auch hunderte hochqualifizierte Arbeitsplätze verlieren würde. Dabei ist dieser eine Vorgang nur ein Schlaglicht, das nur deswegen sichtbar wurde, weil die Hauptversammlung öffentlich und Medienvertreter anwesend waren. Niemand weiß, wie oft sich solche Entwicklungen im Verborgenen abspielen. Sicher ist nur: sie tun es, und das schadet Jena genauso wie Thüringen. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass der gegenwärtige (durch die Streckensperrung verursachte) Zustand zwar schon schlecht ist (weil ohne Fernverkehr), aber der Zustand nach 2017 noch schlechter zu werden droht. Den verlängerten FTX, der zwar kein schöner Zug ist, der aber derzeit wenigstens noch einen Stundentakt nach Leipzig herstellt und der immerhin wie der ICE nur eine Stunde Fahrzeit dorthin braucht, wird es nach gegenwärtigem Stand dann nämlich auch nicht mehr geben, weil Thüringen das Geld dafür nicht mehr aufbringen möchte. Es bliebe dann nur noch die zweistündliche Abellio-Bimmelbahn nach Leipzig, und in der jeweils anderen Stunde käme man – vielleicht, d.h wenn das Land diese Bestellung finanziert – nur noch mit einem Regionalexpress nach Halle und einem weiteren Umstieg in Naumburg dorthin. Welcher Aktionär wird dann wohl noch sein Geld nach Jena und Thüringen schaffen?

An diesem Zustand ändert auch der am 3.6. angekündigte morgendliche „Business-ICE“ nach Berlin wenig. Er ist ohne Zweifel ein Schritt in die richtige Richtung und es ist gut, dass das Ministerium von Frau Keller ihn durch Fahrplananpassungen im Nahverkehr unterstützt hat. Aber dieser eine ICE hilft nicht über den Tag und nützt auch denjenigen nicht, die nach Jena wollen.

Gerade erst wieder hat das Prognos-Institut in seinem jährlichen Zukunftsatlas Jena hinsichtlich der Zukunftschancen zur zweitbesten Stadt Ostdeutschlands gekührt. Jena hätte die besten Voraussetzungen, ein stabiler Anker für eine ausblutende Region zu werden. Der ICE-Knoten Erfurt und die Zögerlichkeit des Thüringer Verkehrsministeriums gefährden das. Man könnte sagen: öffentlich darüber zu reden schadet auch. Aber die ersten realen Folgen treten jetzt ein. Deswegen reden wir darüber. Und wir sagen: eine vernünftige schnelle Verbindung nach Jena ist, auch wenn sie viel Geld kostet, eine gute Investition für Thüringen. Leisten wir sie nicht, verlieren wir unter dem Strich. Und zwar alle, egal ob der Einzelne den Fernverkehr selbst nutzt oder in Jena wohnt. Frau Keller muss deshalb ihren Worten auch in ihrem eigenen Haus Taten folgen lassen. Wenn es ihr nicht gelingt, die DB zu überzeugen, dass die geplante neue IC-Linie durch das Saaletal (in welcher Form auch immer) bereits ab 2018 fahren muss, muss sie in den sauren Apfel beißen und bis 2023 wenigstens das Geld für einen schnellen Nahverkehrszug nach Leipzig bereitstellen. Wir dürfen nicht vergessen: es war vor allem das Land Thüringen, das immer wieder auf die Neubaustrecke und den ICE-Knoten Erfurt gedrungen hat, im vollen Bewusstsein der finanziellen Auswirkungen und der negativen Folgen für die anderen Regionen. Wer A sagt, muss aber auch B sagen.

Deswegen, liebe Frau Keller: Danke für den Business-ICE. Und überhaupt danke für Ihre Arbeit, denn die Suppe, die Sie und wir jetzt auslöffeln, wurde uns von Ihren CDU-Vorgängern eingebrockt. Aber verschieben Sie nicht die Verantwortung auf die Fahrgäste, die Ihren Worten zufolge nun ab Dezember um 5:45 Uhr in Scharen zum Paradiesbahnhof strömen sollen, um weiteren Fernverkehr für Jena zu rechtfertigen, sondern sorgen Sie jetzt für Klarheit, wie es ab 2018 für Jena im Nahverkehr weitergehen soll. Alle zwei Stunden ein Bummelzug nach Leipzig und alle zwei Stunden ein RE nach Halle sind nicht genug!

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