Bahngipfel in Jena: Klare Botschaft an Deutsche Bahn und Bund
Bahngipfel in Jena: Klare Botschaft an Deutsche Bahn und Bund
Unter der Schirmherrschaft des Thüringer Ministerpräsidenten Prof. Dr. Mario Voigt fand am Donnerstag, 26.06.2025, in Jena ein hochrangiger Bahngipfel zur Zukunft des Fernverkehrs in Ostthüringen statt. Anlass waren bekannt gewordene Kürzungspläne der Deutschen Bahn (DB) bei den Intercity-Linien IC 51 und IC 61, die eine fast vollständige Einstellung des Angebotes bedeuten würden.
An dem Gipfel nahmen neben Vertreterinnen und Vertretern der Deutschen Bahn Fernverkehr AG und des Bundesministeriums für Verkehr auch Bundes- und Landtagsabgeordnete, zahlreiche Bürgermeister, sowie Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt teil.
Unmissverständliche politische Forderung nach Erhalt
Ministerpräsident Mario Voigt betonte im Zuge des Gipfels: „Jena ist zentraler wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Leuchtturm mit internationaler Strahlkraft im Osten Deutschlands. Wer die Zukunft dieses Standortes nicht gefährden, sondern aktiv gestalten will, muss eine attraktive Fernverkehrsanbindung in die Lichtstadt sicherstellen. Für uns ist klar: Die östliche Herzkammer des Grünen Herzens Deutschlands darf nicht abgeklemmt werden.“ Für den Fernverkehr gelte, so Voigt: „Nicht die Nachfrage bestimmt das Angebot, sondern umgekehrt. Wo attraktive und gut sichtbare Verbindungen existieren, steigen die Menschen ein – das zeigen zahlreiche Beispiele in ganz Deutschland.“ Auch deshalb sehe die Thüringer Landesregierung in einem attraktiven Fernverkehrsangebot für Jena eine enorme Chance. „Ein starker, funktionierender IC-Knoten in Jena ist dabei kein Einzelinteresse, sondern Impulsgeber für ganz Ostthüringen. Der Ausbau sowie die Elektrifizierung der MDV ist eine weitere, unverzichtbare Weichenstellung. Denn: Attraktive Bahnverbindungen stärken nicht nur die Mobilität. Sie sind Ausdruck gleichwertiger Lebensverhältnisse und nicht zuletzt Motor wirtschaftlicher Dynamik in der Region.“
Auch Staatssekretär Christian Hirte (Bundesministerium für Verkehr) unterstrich in einer Videobotschaft die Bedeutung der Verbindungen und äußerte den konkreten Wunsch, dass die DB einen Zweistundentakt im Intercity-Netz für die Region sicherstellt.
Jenas Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche dankte den Teilnehmenden für einen konstruktiven Austausch. „Wir werden mutmachende Ansätze als Partner weiterverfolgen. Der Bahngipfel hat Bahn und Bund sensibilisiert, dass hier in Jena und der Region für den Fernverkehr Fahrgastpotenzial zu heben ist. Gemeinsam mit den Anrainerstädten entlang der beiden Linien wollen wir diese bewerben und der Bahn verdeutlichen, dass Jena und die Region eine Anbindung an den Fernverkehr braucht.“
Wirtschaft und Wissenschaft fordern verlässliche Direktverbindungen
Breite Unterstützung erhielt die Forderung nach einer starken Fernverkehrsanbindung auch aus der regionalen Wirtschaft und der Wissenschaft. Mehrfach wurde dabei hinterfragt, ob die Deutsche Bahn derzeit überhaupt das richtige Angebot für die Bedürfnisse der Region zur Verfügung stellt. Besonders betont wurde die Notwendigkeit umsteigefreier, zuverlässiger Verbindungen nach Leipzig, Berlin und Frankfurt mit ihren Flughäfen – sowohl für Pendelnde als auch für Geschäftsreisende, internationale Fachkräfte und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
DB sichert eingeschränkten Weiterbetrieb der Linie 61 zu
Die Deutsche Bahn sagte zu, den Betrieb der IC-Linie 61 (Saalbahn) trotz stark gestiegener Trassen- und Energiepreise sowie derzeit schwacher Auslastung nicht einzustellen, sondern in eingeschränktem Umfang fortzuführen. Ziel sei es, ein tragfähiges neues Betriebsmodell zu erreichen. Ministerpräsident Voigt kündigte hierzu Gespräche mit seinen Amtskollegen aus Bayern, Sachsen-Anhalt und Sachsen an, um gemeinsam mit der DB und dem Bund nach Lösungen zu suchen.
Perspektive für Linie 51 nach Elektrifizierung
Zur IC-Linie 51 erklärte die DB, nach Abschluss der Elektrifizierungsarbeiten auf der Mitte-Deutschland-Verbindung (MDV) wieder Fernverkehr anbieten zu wollen. Geplant sei dabei eine Ausweitung bis Chemnitz.
Deutliche Kritik an aktueller Betriebsqualität
Mehrere Teilnehmende kritisierten die derzeitige Betriebsqualität der IC-Linien scharf: Häufige, teils kurzfristige oder wochenlange Ausfälle, Verspätungen sowie nicht erreichte Anschlüsse schränkten den Nutzen erheblich ein. Auch die fehlende Tarifintegration und mangelnde Sichtbarkeit in den Auskunftssystemen der DB wurden bemängelt. Die Anrainerkommunen signalisierten ihre Bereitschaft, an einer stärkeren Bekanntmachung des Angebots mitzuwirken.
Grundproblem: Fehlende Rahmenbedingungen durch den Bund
Der Gipfel machte deutlich: Ohne Anpassung der bundespolitischen Rahmenbedingungen ist ein wirtschaftlich tragfähiger Fernverkehr in der Fläche nicht mehr möglich. Der Bund steht laut Grundgesetz in der Verantwortung, den Fernverkehr gesamtstaatlich sicherzustellen. Geschieht dies nicht, droht ein schleichender Rückzug des Fernverkehrs aus den Regionen – mit unübersehbaren negativen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft.
Die von der Deutschen Bahn angekündigten Änderungen in der Übersicht (vorbehaltlich Trassenvergabe, Fahrzeitangaben für Jena Paradies):
Nacht-IC Rostock – Berlin – Jena – Wien
Die Fahrten des Nacht-IC werden nach dem Verkauf der KISS-Züge zum Fahrplanwechsel eingestellt. Als Ersatz soll ein neues ICE-Nachtzugpaar Berlin – Jena – München eingeführt werden, das voraussichtlich mit Triebzügen der Baureihe 412 verkehrt. Die Abfahrt nach München ist für 2:14 Uhr, die nach Berlin um 3:56 Uhr geplant.
ICE Jena – Berlin – Hamburg
Das Zugpaar soll nicht mehr als Flügelzug der ICE-Linie 28, sondern als eigenständige Leistung mit dem Laufweg Jena – Leipzig – Berlin verkehren. Die Abfahrt ist für 7:15 Uhr geplant, die Ankunft soll 20:25 erfolgen. In den Sommermonaten soll der Zug an Freitagen und Wochenenden nach Rostock verlängert werden.
IC-Linie 51 Köln/Düsseldorf – Kassel – Jena – Gera
Die Linie soll noch unverändert bis September 2026 verkehren. Danach soll sie auf ICE-T umgestellt und ab Erfurt über die Schnellfahrstrecke nach Leipzig geführt werden, womit zwischen Erfurt und Gera kein Fernverkehr mehr stattfindet.
Nach der Elektrifizierung der MDV will die DB die Linie wieder über Jena führen und bis Chemnitz verlängern.
IC-Linie 61 Leipzig – Jena – Nürnberg – Karlsruhe
Die Linie soll von den aktuellen 5 Zugpaaren auf 2 Zugpaare zurückgenommen werden. Es verbleiben die Abfahrten 8:56 und 16:56 Uhr (Richtung Nürnberg) sowie 13:00 und 21:00 Uhr (Richtung Leipzig).
Ausgewählte Medienberichte
Pressemitteilung der Thüringer Staatskanzlei
MDR: Bahn will Intercity-Verbindungen durch Thüringen streichen
MDR: Bahn streicht IC-Anbindung für Naumburg und Weißenfels zusammen – Landrat sauer
Naumburger Tageblatt: Die bedenkliche Schieflage der Bahn
Ostthüringer Zeitung (nur mit Abo lesbar):
- Intercity-Linien in Ostthüringen: Deutsche Bahn plant Einschnitte
- Kürzungspläne im Bahn-Fernverkehr: Wie es für Fahrgäste in Ostthüringen weitergeht
- Intercity-Streichung im Saaletal: Wo bleiben die gleichwertigen Lebensverhältnisse?
- Bahngipfel im Jentower: Das sagt Saalfelds Bürgermeister zu den Plänen
Der Spiegel (nur mit Abo lesbar):
Deutsche Bahn will im Fernverkehr 21.000 Sitzplätze streichen