FAQ

Die Ursache ist nicht, dass in Jena eine zu geringe Nachfrage vorhanden ist, sondern das so genannte Verkehrsprojekt Deutsche Einheit (VDE) 8, eine Neubaustrecke von Halle und Leipzig nach Ebensfeld in Bayern, die Jena und das bevölkerungsreiche Ostthüringen in großem Abstand westlich umfährt. Auf diese Neubaustrecke hat sich seit Ende 2017 der schnelle ICE-Systemverkehr, insbesondere die bisherige ICE-Linie 28 über Jena, verlagert.

Die Universitätsstadt Jena ist aufgrund einer Vielzahl international vernetzter wissenschaftlicher Einrichtungen und weltweit tätiger Unternehmen in besonderem Maße auf gute Fernverkehrsanschlüsse angewiesen. Bereits vor 2017 war die Erreichbarkeit Jenas unterdurchschnittlich; der schlagartige, fast vollständige Rückzug des Fernverkehrs zum Jahresende 2017 hat die Situation weiter verschlechtert. Trotz bester Entwicklungsperspektiven besteht die Gefahr, dass einer der wichtigsten ostdeutschen Wachstumskerne in seiner Entwicklung zurückgeworfen wird. Damit besteht auch ein ernstes Entwicklungsproblem für den Freistaat Thüringen, denn die Standortfaktoren, die Jena bietet und die die Stadt für Hochtechnologie und Wissenschaft attraktiv machen, kann in dieser Form keine andere Stadt im Freistaat ersetzen. Verliert Jena hochqualifizierte Arbeitsplätze, verliert sie Thüringen.

Die DB Fernverkehr AG, die im Konzern Deutsche Bahn für den Fernverkehr zuständig ist, agiert als Wirtschaftsunternehmen privat-rechtlicher Form und kann ohne Zustimmung der Politik über ihr Angebot entscheiden. Zwar unterliegt sie als bundeseigenes Unternehmen der in Art. 87e Abs. 4 Grundgesetz geregelten Gewährleistungspflicht des Bundes für ein Verkehrsangebot, das dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen Rechnung trägt; in der Praxis nimmt sie diese Verantwortung im Fernverkehr seit Jahren jedoch nur noch unzureichend wahr. Immerhin hat sie mit dem im Jahr 2015 veröffentlichten neuen Fernverkehrskonzept eine Trendwende angekündigt, die auch Jena wieder besser an den Fernverkehr anbinden könnte. Ob die DB ihre Ankündigungen in die Tat umsetzt, bleibt jedoch abzuwarten. Mehr hierzu finden Sie im Abschnitt Verantwortung.

Nein, im Gegenteil. Die Neubaustrecke hat zur Verlagerung der ICE-Linie 28 geführt, die Jena bis zum Jahresende 2017 komfortabel und umsteigefrei jede Stunde mit wichtigen Zielen wie Berlin, Leipzig, Nürnberg und München und den dortigen Großflughäfen verband. Die versprochenen Reisezeitverkürzungen sind ausgeblieben; lediglich einige Sprinterverbindungen nach München sind schneller als die Neigetechnik-ICE früher auf dem direkten Weg. Geblieben sind die Nachteile: Wegen der nun nötigen Anfahrt mit dem Regionalverkehr mit Umstieg und Wartezeiten sind die meisten Verbindungen langsamer, unbequemer und störanfälliger geworden. Aus dem bisher leicht zu merkenden Stundentakt mit umsteigefreien und komfortablen Verbindungen vom gut erreichbaren ICE-Bahnhof Jena Paradies wurde ein Flickwerk aus wechselnden Abfahrtsbahnhöfen und Abfahrtszeiten, wobei viele Verbindungen nun über den per ÖPNV und Auto schlechter erreichbaren Bahnhof Jena-West führen. Für Fahrten über die Neubaustrecke sind zu allem Überfluss die Fahrpreise signifikant höher. Alles in allem wurde das Fernreiseangebot für Jena durch die Neubaustrecke schlechter und teurer.

Weil sie es nicht besser wussten? Nein, im Ernst, wir wissen natürlich nicht, warum sie das taten. Bereits 2002 wurde durch die FH Erfurt erstmals prognostiziert, dass in Thüringen von der Neubaustrecke im Wesentlichen nur die Landeshauptstadt und deren enges Umfeld profitieren. 2011 wurde durch die von uns initiierte iRFP-Studie detailliert belegt, dass sich die Bedingungen für Bahnreisende von und nach Jena mit dem Entfall des ICE verschlechtern werden. Dennoch blieb die Thüringer Verkehrspolitik bis ins Jahr 2017 kompromisslos auf die Neubaustrecke und die Zentralisierung allen Verkehrs auf Erfurt fokussiert. Erst als die Verschlechterungen für Jena und weite Teile des Landes nicht mehr zu negieren waren und nachdem der Thüringer Ministerpräsident Ramelow persönlich eingriff, änderte das Erfurter Verkehrsministerium langsam seine Politik und verspricht Jena seitdem den Ausbau zum IC-Knoten.

Ja, für die regionale Erschließung der Impulsregion. Aber nicht als Ersatz für einen direkten Fernverkehrsanschluss. Im Vergleich zum sonstigen Eisenbahn-Regionalverkehr weist die S-Bahn durch ihre dichtere Taktfrequenz eine höhere spezifische Transportleistung, aber auch kürzere Halteabstände und einen noch schlechteren Komfort auf. Die Reisezeit nach Erfurt würde sich also gegenüber der im Regionalexpress noch verlängern, die Reisequalität nochmals sinken, die Erreichbarkeit Jenas noch schlechter. Die dichtere Taktfrequenz verkleinert lediglich das Anschlussverlustrisiko.

Nein. Der ICE ist das schnelle Premiumprodukt des Fernverkehrs. Es ist vernünftig, dass er die Neubaustrecke nutzt und schnelle Verbindungen zwischen Berlin und München schafft. Das bedeutet aber nicht, dass auf der Saalbahn kein Fernzug mehr fahren kann oder darf. Die Saalbahn ist als Fernverkehrsstrecke ausgebaut, verbindet zwei Metropolregionen, erschließt mit Ostthüringen einen bevölkerungsreichen Landesteil Thüringens, der über den Knoten Erfurt nicht gut angebunden werden kann, und sollte daher weiter eine Fernverkehrsfunktion haben. Das passende Fernverkehrsprodukt für die Saalbahn ist der Intercity (IC), wie er auch im neuen Fernverkehrskonzept der DB vorgesehen ist.

Die Frage ist berechtigt. In den Neubau des Fernbahnhofs Jena Paradies (ein funktionierender Regionalbahnhof war ja bereits vorhanden) sind einschließlich des Verknüpfungspunktes mit dem regionalen Busverkehr etwa 24 Millionen Euro geflossen. Der ICE-Bahnhof wurde 2005, der Busbahnhof 2010 eröffnet. Eine Broschüre der DB zum Bau des neuen Fernbahnhofs, die u.a. eine Netzgrafik „europaweiter“ Fernverbindungen von Jena zeigt, ist hier zu sehen. Kritische Fragen muss sich jedoch auch die Stadt Jena ob der Entscheidung für den Standort des Fernbahnhofs gefallen lassen, denn der Bahnhof Paradies war von vorneherein nicht für die Verknüpfung des Verkehrs zwischen den beiden Jena durchquerenden Eisenbahnstrecken geeignet.

Die Bezeichnung steht für ein langfristig angelegtes Thüringer Großprojekt, das im „Bahndialog Ostthüringen“ im November 2017 von der Thüringer Landesregierung ins Leben gerufen wurde, um die Schienenverkehrsanbindung der Stadt Jena und der Region Ostthüringen auf der Schiene zu verbessern. Im weiteren Sinne beschreibt der Begriff ein Maßnahmenpaket, das im großräumigen Maßstab Infrastrukturausbau und die Beschleunigung der Schienenpersonenverkehrsangebote in Ostthüringen umfasst. Im engeren Sinne ist darunter ein Jenaer Knotenbahnhof zu verstehen, der der Verknüpfung des geplanten Fernverkehrs mit dem Regional- und öffentlichen Nahverkehr sowie dem Individualverkehr dienen und ein Markenzeichen von Jena werden soll.

Der IC-Knoten ist die Voraussetzung dafür, dass Jena bessere und schnellere Schienenverkehrsangebote erhält. Infrastrukturmaßnahmen wie die Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung sind die Voraussetzung dafür, dass die im Zuge der Fernverkehrsoffensive der Deutschen Bahn bzw. des Deutschland-Taktes geplanten Fernzüge eingeführt werden können. Der (Aus-)Bau eines Knotenbahnhofs in Jena ist die Voraussetzung dafür, dass die neuen Fernzüge besser mit dem ÖPNV (Nahverkehrszüge, Straßenbahnen, Busse) und dem motorisierten Individualverkehr (MIV) verknüpft werden können; damit profitiert auch die Region um Jena, während die größere Nachfrage die Fernzüge langfristig sichern hilft. Nicht zuletzt soll der Knotenbahnhof ein würdiges Eingangstor für die moderne Großstadt Jena sein, der Fahrgästen zeitgemäßen Komfort bietet, einfaches Umsteigen erlaubt und mit allen regionalen Verkehrsmitteln bestens erreichbar ist.